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Alle Vögel sind schon – weg?

Brutvogelzählungen zeigen nichts Gutes

Laut dem neuen Brutvogelatlas (ADEBAR) leben in unseren landwirtschaftlich genutzten Kulturlandschaften, aber auch in unseren Städten und Dörfern deutlich weniger Vögel, als noch 1990, so das BUND-Magazin 1/2015.  Bei den Rebhühnern hat der Bestand um über 90% abgenommen, eine Rote Liste-Art, genau wie der Kiebitz, dessen Bestand um 70-80% und die Uferschnepfe, deren Bestand um 50-60% abgenommen hat – so die erschreckenden neuen Zahlen aus dem Gemeinschaftswerk der Stiftung Vogelwelt Deutschland, des Dachverbands Deutscher Avifaunisten sowie des Bundesamtes für Naturschutz, für das von  Ornithologen in über 400.000 Stunden über 80 Millionen Brutpaare kartiert wurden!

Rebhuhn-Hahn (Hans-Martin Braun)

Rebhuhn-Hahn (Hans-Martin Braun)

Insgesamt ist seit 1980 die Hälfte des Vogelbestandes aus unseren Landschaften verschwunden, meldete das Bundesamt für Naturschutz schon lt. Bioland 09/2012. Dies zeigt, dass trotz aller Schutzgebiete und Renaturierungen, die Singvogel-Bestände dramatisch abnehmen. Neben der intensiven Bodenbearbeitung, Düngung und Pflanzendichte, sind es vor allem die Pestizide, die den Vögeln das Leben verkürzen (Süddeutsche Zeitung 10.07.2014). Insbesondere die Neonicotinoide (Neonics) sind es, die lt. Forschern der Universität Nijmwegen auch die holländischen Populationen an Rauchschwalben und Spatzen zurückgehen lassen. Kann das ohne Folgen für unsere Gesundheit bleiben? Der BUND hat gerade einen Gerichtsprozess gegen BAYER gewonnen, wonach Pestizide auf der Basis des Wirksstoffs Thiacloprid für Bienen gefährlich und nicht „bienenfreundlich“ sind, dies sei eine Irreführung der VerbraucherInnen, so das Gericht  (Schrot & Korn 5/2015: 7).

See- und Fischadler, Weiß- und Schwarzstorch, Uhu, Kolkrabe und Kormoran konnten  sich – Dank des ehrenamtlichen, verbandlichen und staatlichen Naturschutzes seit der Wende – wieder mit Erfolg vermehren.  Auch hatten die EU-Flächenstillegung und die Extensivierungsprogramme in den 1990er Jahren eine leichte Erholung in der Kulturlandschaft gebracht, doch die Intensivierung des Ackerbaus, zum Anbau von Mais für Biogas-Anlagen, ebenso wie die damit einhergehende Intensivierung der Milch- und damit der Grünlandwirtschaft, haben alle Hoffungen zerstört, es könnte für die Vogel- und Tierarten der Kulturlandschaft besser werden (vgl. Flade 2012). Florian Schöne, der Agrarexperte des NABU, forderte daher schon 2011 Naturschutz-Auflagen für die Biomasse-Nutzung aus Ackerbau und Grünland sowie einen Stop für neue Biogas-Anlagen. Es kann doch nicht sein, dass wir die Energiewende mit dem Ausverkauf der biologischen Vielfalt bezahlen. Technische Lösungen greifen dabei zu kurz.

Großschutzgebiete vor(n)!

Es wird Zeit, dass wir den Schutz der biologischen Vielfalt wieder flächendeckend in die Erzeugung von Lebensmitteln, Agrarrohstoffen und Energieträgern integrieren. Der ökologische Landbau (Ebene: System) tut dies mit Erfolg, wie viele Studien belegen. Verbände wie Bioland bieten ihren Mitgliedsbetrieben eine freiwillige Naturschutzberatung an, bei der individuelle Konzepte zur Förderung der biologischen Vielfalt erstellt und von den Landwirten umgesetzt werden (Ebene: Betrieb).

In Schutzgebieten wie den UNESCO-Biosphärenreservaten, die einen hohen Anteil an extensiver und ökologischer Landwirtschafts aufweisen, wie das BR Schorfheide-Chorin nördlich von Berlin, zeigen die ornithologischen Erhebungen deutlich bessere Zahlen (Ebene: Region; vgl. Flade 2014). Die Biosphärenreservate, aber auch die Nationalparke in ihren Umlandregionen, sollten auf die Steigerung der Öko-Flächen-Anteile hinarbeiten. Die Landesregierungen, insbesondere die grünen Umwelt- und LandwirtschaftsministerInnen, sollten dies stärker  fördern!

Einen Schritt weiter geht nun der WWF Deutschland e.V., der mit Unterstützung des Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) neue „Grundlagen für einen Naturschutzstandard im Ökolandbau“ am Beispiel der Rinderhaltung in Nordostdeutschland vorgelegt und auf der Biofach-Messe 2015 vorgestellt hat. Das Konzept sieht verschiedene Handlungsbereiche und eine Vielzahl von Maßnahmen vor, mit denen Bio-Landwirte die biologische Vielfalt fördern können (Ebene: Maßnahmen). Erreichen Sie in diesem Katalog über 120 Punkte, verleihen Ihnen die Auditoren das Label „Bio Plus“ – seit langem ein Synonym für die Forderung, den Naturschutz zentraler im Ökolandbau zu verankern (vgl. Schöne 2015). Auch wenn zunächst wohl nur EDEKA Nord den Standard für sein Rindfleisch anwenden will, so WWF und ZALF-Vertreter, stellt diese maßnahmenbezogene  Bewertung einen richtigen Schritt zu mehr Naturschutz im Lebensmittelmarkt dar.

Monitoring ins Marketing!

Dies wäre (nur) noch zu toppen durch eine zielarten-, d.h. ouput-orientierte Bewertung der Bio-Landwirtschaft (Ebene: Art), wobei einzelne Arten meist für eine Arten-Gruppe stehen, die als Zeigerarten für die hohe Lebensraumqualität einer Landschaft sowie deren Ökosystemleistungen zu betrachten sind. Die Orientierung an Zielarten bedeutet also die Orientierung auf ein gesundes ökologisches Gesamtsystem hin. Erste Überlegungen dazu haben Armin Kullmann vom BioRegio-Institut und Prof. Dr. Eckhard Jedicke im Rahmen einer Machbarkeitsstudie zur „Vermarktung von Bio-Produkten aus Biosphärenreservaten“ entwickelt. In einem vom BfN beauftragten FuE-Vorhaben wollen die beiden Partner dazu nun eine umfassende, in der Praxis effiziente Monitoring-Methode entwickeln und erproben.

Rebhuhn-Projekt Göttingen

Rotmilan-Projekt Vogelsberg

Charts zum Rotmilan-Projekt